27. Juli 2024

Interview mit Initiative jetzt30.de

Dallgower haben die Initiative jetzt30.de gegründet. Wir haben mit dem Initiator Olaf Clemens gesprochen

Was ist die Initiative jetzt30.de?
Jetzt30.de ist eine Initiative von Anliegern und Anwohnern der Schiller- und Fontanestraße, die keine Lust mehr haben auf Lärm, Luftverschmutzung und gefährliche Situationen, die der kontinuierlich wachsende (Durchgangs-)Verkehr in Dallgow erzeugt.

Wie kam es zur Gründung?
Ich bin einfach genervt von den täglichen Staus, dem überall in Dallgow hörbaren Rauschen der Wilmsstraße und B5 (auch wenn wir es uns schönreden, es ist kein Meeresrauschen!), den vielen Gefahrenstellen, die meine Kinder täglich auf dem Schulweg passieren müssen und generell der Hektik auf unseren kleinen Straßen in unserem kleinen Dallgow. Hinzu kamen zwei miterlebte Unfälle mit Personenschaden auf der Wilmsstraße. Daher wollte ich einfach versuchen etwas zu ändern und habe dabei viele Anwohner gefunden, denen es genauso geht.

Um welche Straßen geht es konkret und welche Abschnitte sollen in Tempo 30 umgewandelt werden?
Primär geht es um die Schiller- und Fontanestraße. Ein nicht abreißender Fahrzeugstrom nutzt diese Verbindung als Abkürzung zwischen B5 und Falkensee bzw. Spandau. Aber auch die Wilmsstraße ist so stark befahren, dass die Anwohner teilweise nicht aus den Einfahrten kommen. In der Wilmsstraße ist hinter der Eisenbahnbrücke in Richtung Falkensee noch 50. Wir wissen vermutlich alle, dass auf Straßen mit 50 km/h im Schnitt 60 km/h gefahren wird und bei 30 km/h im Schnitt 40 km/h. Die Straßen hier in Dallgow sind für diese Mengen an Fahrzeugen mit solchen Geschwindigkeiten nicht ausgelegt. Es fehlt an ausreichenden Bürgersteigen, an Radwegen und an Ampeln bzw. Querungen, einfach an Fläche. Daher muss der Verkehr in Dallgow dringend entschleunigt werden.

Wie hat sich das Verkehrsaufkommen in den letzten Jahren entwickelt?
Eine genaue Übersicht dazu liefert der Verkehrsentwicklungsplan (VEP). Die Zahlen darin wurden 2019 / 2020 erhoben. Bereits vor einem Jahr waren es laut VEP 12.500 Kfz/Tag in der Wilmsstraße und ca. 4000 KfZ/Tag in der Fontane- / Schillerstraße. Durch die Sperrung der Potsdamer Straße in Falkensee kann und muss davon ausgegangen werden, dass sich diese Zahl aktuell vervielfacht hat. Der VEP belegt deutlich, dass es sich größtenteils um Durchgangsverkehr handelt.
Im VEP wurden auch Prognosen für 2025/30 erstellt:
Prognose der Zunahme des Verkehrs durch das Einwohnerwachstum in Dallgow +2000 Kfz/tag
Prognose der Zunahme des Verkehrs durch Falkenseer +2000 Kfz/tag
Prognose der Zunahme des Verkehrs nach Wustermark (durch "Karls Erlebnis-Dorf", "Karls Ferienresort", BahnTechnologieCenter, Designer Outlet Berlin, Wohn- und Gewerbestandort Olympisches Dorf, Fertigstellung Wohngebiet Heidesiedlung) durch Dallgow +18000 Kfz/tag.

Das würde bedeuten 35000 Kfz/Tag durch Dallgow?
Liebe Anwohner, Gemeinde, Bürgermeister wie soll das gehen? Das wird uns alle treffen, deshalb jetzt handeln!
Das ist eine Spirale, die kein Ende hat. Alle Gemeinden wachsen, aber die Infrastruktur für Autos nicht. Auch der ÖPNV hat sich in den letzten 10 Jahren nicht dem Wachstum angepasst, die Taktung der Regionalbahn ist in Dallgow immer gleich geblieben.

Gibt es auf der Strecke auch Unfallschwerpunkte?
Diese hier alle zu nennen würde vermutlich eine zu lange Liste werden. Ich empfehle allen Interessierten die Strecken in Dallgow einmal abzulaufen. Um nur einige Schwerpunkte im Bereich Schiller- / Fontanestr. zu nennen:

  • die Kreuzung beim Café Kühnbaum, an der es keine Querung für Fußgänger und Radfahrer gibt und die für den Verkehr völlig unübersichtlich ist
  • die einseitig fehlenden und insgesamt viel zu schmalen Bürgersteige gegenüber der Pension
  • die unübersichtliche, scharfe, abgeknickte Vorfahrt (Schillerstr. Ecke Fontanestr.), in der es bereits mehrere Unfälle mit Personenschaden gab
  • fehlende Radwege und generell fehlende Fahrbahnmarkierungen.

Ihr habt bereits Unterschriften gesammelt. Wie viele Unterschriften gibt es bereits und braucht ihr noch mehr Unterschriften?
Es haben sich aktuell ca. 75 Haushalte oder Personen als Unterstützer eingetragen. Gern möchten wir hiermit alle Dallgower aufrufen sich einzutragen und auch aktiv zu unterstützen Link zum Eintragen. Ich habe Anfragen von Bürgern aus anderen Bereichen erhalten. Ein gemeinsames Ziel sollte sein, dass die guten Ideen und Konzepte im beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan auch zeitnah umgesetzt werden. Die Gemeinde, bzw. das Verkehrsamt Havelland, ist dazu nach meinem Wissen noch eine kurz-, mittel- und langfristige zeitliche Planung der Umsetzungsmaßnahmen schuldig. Bisher hat der VEP ca. 100k Euro verschlungen und ist seit Jahren in Diskussion, hat aber noch nichts gebracht. In einem Punkt hat der Verkehrsentwicklungsplan aber eindeutig recht, der Verkehr entwickelt sich prächtig in Dallgow.

Auf der Webseite gibt es ein Schreiben an Bürgermeister, Verwaltung und Kommunalpolitiker. Wie war die Reaktion bisher?
Wir haben viele schnelle Rückmeldung von Landespolitikern erhalten, speziell vor der Bundestagswahl. Leider haben wir bisher keine direkte Rückmeldung von der Gemeinde, unseren Gemeindevertretern im Verkehrsausschuss oder unserem Bürgermeister erhalten. Das erzeugt natürlich große Enttäuschung und Unverständnis bei allen Anwohnern. Es fühlt sich an, als wäre der Bedarf von 100 Dallgower Bürgern für die Gemeinde nicht von Interesse. Die Anfrage wurde im 17. Verkehrsausschuss diskutiert, aber eine Antwort haben wir nicht bekommen. Nach mehrmaligem Nachfragen bei der Gemeinde wurde das Protokoll veröffentlicht. Auf direkte Nachfrage beim Bürgermeister gab es ein sehr positives Telefonat. Er unterstützt das Vorhaben und gab auch weitere gute Infos zu nächsten Schritten. Auch im Ausschuss gibt es scheinbar viele Stimmen, die eine generelle Reduzierung auf Tempo 30 im gesamten Gemeindegebiet befürworten. Dies scheint jedoch Sache des Landes, somit der Verkehrsbehörde in Nauen, zu sein. Diese hatte sich übrigens sehr schnell auf unser Schreiben gemeldet und Unterstützung angeboten. Auf Anfrage wurde mitgeteilt, dass ein Vor-Ort Termin geplant wird. Wir sind gespannt was dieser bringt und was die nächsten Schritte sind. Aus der Wilmsstraße haben wir jedoch gelernt, dass der Weg durch die Gremien langwierig ist. Dort war der Erfolgsfaktor traurigerweise der Druck durch die Anwohner durch das regelmäßige Parken von Anwohnerfahrzeugen auf der Straße.

Welche anderen Aktionen plant ihr, um auf euer Anliegen aufmerksam zu machen?
Die Anwohner der Wilmsstraße haben es vorgemacht – auch wir werden organisiert unsere Fahrzeuge in der Schiller- und Fontanestraße parken um den Verkehr zu verlangsamen und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Mit ca. 75 Haushalten und im Schnitt 2 Fahrzeugen sind 100 Autos schnell erreicht. Wenn diese dort parken, speziell vor und nach der abgeknickten Vorfahrt-Kurve, dann geht nichts mehr. Der Stau wird sich bis weit nach Falkensee ziehen. Nicht schön, aber scheinbar der einzige Weg. Dazu werden wir die lokale Presse über die Aktion informieren. Artikel zur Verkehrssituation in Dallgow und dem VEP gibt es ja schon reichlich – siehe Links.

Ist die Umwandlung Tempo 30 in der Wilmsstrasse ein Vorbild für euch?
Es ist der richtige Weg und absolut verständlich. Jeder Anwohner in Dallgow will vor der eigenen Tür möglichst wenig Verkehr haben. Ich bin Spandauer und kenne Dallgow schon seit der Wiedervereinigung. Alle die an der Wilmsstraße wohnen hatten hier früher ein sehr ruhiges Leben. Die Belastung für die Anwohner durch die aktuelle Verkehrssituation ist groß und entspricht nicht dem ländlichen Bild von Dallgow. Auch unsolidarische Sprüche in der Form “… wer an eine Hauptstraße zieht, weiß das doch vorher…“ sollte man sich schenken. Ein bisschen mehr Solidarität für alle, die durch den Verkehr belastet werden, würde ich mir wünschen. Verständnis ist natürlich auch für alle Pendler vorhanden, die sich von Tempo 30 „verlangsamt“ fühlen. Als Dallgower sollte sich aber eigentlich keiner über mehr Tempo 30 beschweren und für Falkenseer gibt es wirklich bessere Routen als die durch Dallgow.

Was meint ihr, bis wann eine Umwandlung in Tempo 30 realistisch umsetzbar wäre?
Nach unseren Informationen hat es in der Wilmsstraße ca. 2 Jahre gebraucht. Das würden wir gern schneller schaffen.

Können auch andere Straßen in eurer Initiative mitmachen?
Unbedingt! Es gibt so viele „Verkehrs-Baustellen“ in Dallgow. Wir freuen uns über jede Beteiligung und Unterstützung und können die Aktivitäten gern ausweiten.

Wie seht ihr die Verkehrsentwicklung in Dallgow für die Zukunft?
Der Verkehrsentwicklungsplan liefert dazu ein eindeutiges Bild. Der Verkehr wird immer weiter zunehmen. Eine Entlastung ist nicht in Sicht. Langfristig können Umgehungsstraßen helfen, z.B. eine Westtangente. Wenn aber Tempo 30 Schilder schon zwei Jahre brauchen,…….den Rest kann sich jeder denken…
Eine kurzfristige Lösung kann nur die Verlangsamung des Verkehrs sein. Der Durchgangsverkehr wird durch eine Verlangsamung auf andere Wegstrecken gelenkt bzw. gezwungen. Zur Lenkung des Verkehrs gibt es nach unserem Wissen auch schon Gespräche zwischen den Gemeinden Dallgow und Falkensee. Dennoch kann die Gemeinde Dallgow und die Verkehrsbehörde Nauen aktiv unterstützen durch die Ausweitung von 30er Strecken oder bauliche Maßnahmen wie Bremsschwellen und Ampeln.

Was wünscht ihr euch von der Verkehrsplanung?
Eigentlich nur die Umsetzung der Konzepte im Verkehrsentwicklungsplan. Die Liste unsere Forderungen kann unter jetzt30.de eingesehen werden. Aber primär wünschen wir uns ein schnelles, konsequentes und pragmatisches Handeln aller Beteiligter.

Links/Quellen:

Protokoll 17. Sitzung Ausschuss für Klima, Umwelt, Verkehr und nachhaltige Gemeindeentwicklung 09.11.2021, 19:00 – 21:10 Uhr
Verkehrsentwicklungsplan Dallgow https://www.dallgow.de/seite/345935/verkehr.html
Webseite jetzt30.de
Artikel MAZ zum VEP Dallgow will Verkehrsproblem langfristig lösen + Dallgow will Verkehrsthema wieder angehen

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