„Einfach mal einen Rolli und Gehhilfen dem Bürgermeister und der Gemeindevertretung für ein paar Tage zur Verfügung stellen und das Gemeindegebiet ablaufen… Das öffnet einem den notwendigen Horizont!“
Umfrage zur Barrierefreiheit
Zum Thema Barrierefreiheit haben wir jüngst eine Umfrage durchgeführt. Wir haben die Daten ausgewertet und über die Ergebnisse mit Jutta Naumann geprochen, die für die Freien Wähler Dallgow als sachkundiger Einwohner im Sozialausschuss tätig ist.
Frau Naumann, die meisten haben angegeben, ein Mobilitätshandycap zu haben. Deckt sich das mit ihrer Wahrnehmung?
Ja, das hatte ich erwartet. Behinderung wird meistens gleichgesetzt mit einem Mobilitätshandicap. Ein Mobilitätshandicap wird auch von der Umwelt besser akzeptiert. Menschen mit anderen Handicaps äußern sich nicht so gerne. Das ist schade. Das ist noch immer ein Tabuthema.
Überraschend war das Alter der Teilnehmer. Die meisten waren unter 60. Hat das mit der Art der Umfrage – im Internet – zu tun?
Ich hätte mir eine Beteiligung von Menschen in unterschiedlichen Lebensabschnitten gewünscht. Aber nicht jeder mag Facebook. Doch mit dieser Umfrage ist ein Anfang gemacht und das Thema ist im Gespräch. Das sind jetzt die Daten, die wir haben. Damit müssen wir arbeiten. Es gibt viel umzusetzen, es geht um Chancengleichheit, wie sie in der UN-Konvention beschrieben wird. Sie fordert in Artikel 9 ein Ende der Benachteiligung durch den Abbau von baulichen, kommunikativen und strukturellen Barrieren. Es gibt das Bundesteilhabegesetzt, der Landkreis hat einen Integrationsbeauftragten und viele Projekte. Vielen ist gar nicht Bewusst, dass das Thema Behinderung gar nicht so weit weg ist von jedem einzelnen. Es gibt ein Zitat von Ex-Bundespräsident Richard von Weizäcker, kennen sie das? Er sagte "Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann." Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit eine schlimme Erkrankung und musste, als ich aus dem Krankenhaus kam, am Rollator laufen. Wie schnell kann ein Unfall uns aus dem gesunden Leben reissen? Niemand wünscht sich das. Aber es immer zu verdrängen, hilft nicht. Wir brauchen glatte Strassen, die breit genug sind. Wir brauchen Behindertenparkplätze. So wie beim Dallgower Rathaus-Neubau, da war anfangs der Behindertenparkplatz mit Bordsteinen umgeben. Das konnte kein Behinderter nutzen. Nun gibt es einen weiteren auf dem Parkplatz Einfahrt Parkstraße. Es fehlt wohl aber noch die Beschilderung mit dem Hinweis wo der Behindertenparkplatz am Rathaus zu finden ist.
„Generell für Barrierefreiheit: Beschilderung an öffentlichen Gebäuden und wichtigen Einrichtungen (z. B. Bank, Post) zusätzlich in Blindenschrift und mit Sprachausgabe.“
Umfrage zur Barrierefreiheit
Das Thema Bordstein wurde oft in der Umfrage erwähnt. Die seien zwar oft abgesenkt, aber nicht ebenerdig. Für Mobilitätseingeschränkte immer noch ein Hindernis. Spricht etwas gegen die ebenerdige Absenkung?
Ich bin keine Baufachfrau. Eigentlich ist alles in Normen festgelegt. Ich kenne die Norm nicht genau, aber es ist klar, dass nicht vollständig abgesenkte Bordstein ein Hindernis für Menschen mit Mobilitätshandicap sein können. Oder nehmen sie die Kopfsteinpflaster, so wie sie auf dem Bahnhofsvorplatz verbaut wurden. Optisch schön, sind die für den Rollstuhl oder mit dem Rollator ein echtes Hindernis.
Die neue Dallgower Mitte – frisch geplant und gebaut – schneidet auch schlecht ab. Das ist überraschend. Die Gründe sind nachvollziehbar: die steile Schräge, ein Mangel an Fußwegen auch für Eltern mit Kind, schlechte oder keien Übergänge. Hätte es hier nicht sogar gesetzliche Verpflichtungen gegeben?
Man hat da die Optik gesehen. Es sollte sich in die ländliche Umgebung einfügen. Wir sind bei einer Begehung mit dem Sizialausschuss dort mit Rollstuhl und Rollator langgefahren. Das war sehr schwierig. Das jetzt in Ordnung zu bringen ist natürlich sehr schwierig, da müsste man ja alles aufreissen. Das wird nur nach und nach gehen. Man merkt das eben erst, wenn man auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen ist.
„Die Situation für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Kinderwagen am Neubau am Bahnhof ist katastrophal. Der Fußweg an der Haupteinfahrt bei Penny/Alnatura ist viel zu steil und vor allem zu schmal. Mit Kinderwagen alleine schon eng – mit zweitem Kind an der Hand total gefährlich. Die Rampe hinter Alnatura versteckt und schlecht ausgeschildert. Der Zugang über den Bahnhofsplatz ist nicht besser. Kein vernünftiger Übergang zum Bäcker und auf der Geschäftsseite nur die Möglichkeit über den Parkplatz zu laufen. Dieser bietet keinen abgesenkten Zugang zu Alnatura. Kinderwagen/Rollstühle müssen auf den Straßen fahren.“
Umfrage zur Barrierefreiheit
Die Kitas Villa Kunterbund und St.Martin sind auffällig schlecht bewertet worden. Kann die Gemeinde da etwas machen?
So genau weiss ich das nicht. Wir müssen eine Bestandsaufnahme machen. Wir müssen wissen, wo sind die Schwerpunkte und dann können wir eine Prioliste erstellen, was zu verbessern ist. Der aktuelle Zustand in Dallgow ist verbesserungswürdig. Hier geht es um Menschen. Hat jemand ein Handicap, möchte er am normalen Leben genauso teilnehmen. Reinhard Turre sagte mal Chancengleichheit besteht nicht darin, dass jeder einen Apfel pflücken darf, sondern dass der Zwerg eine Leiter bekommt.". Das umzusetzen, darauf kommt es an. Es geht auch gar nicht immer nur um das Thema Behinderung. Auch als hochbetagter fällt das Laufen schwerer. Eine Mutter mit Kinderwagen wird auch wissen, wie viele Probleme es in der Fortbewegung geben kann.
Der Bibliotheksumzug ist ja ein Dauerthema in Dallgow. Unter anderem ging es darum, dass die Gemeine nicht in eine Rampe investieren wollte, weil das Gebäude gar nicht der Gemeinde gehört. Nun hat die Umfrage ergeben, dass es gar nicht nur um die Bibliothek geht, sondern um alle Geschäfte im Bahnhofsgebäude
Richtig. Überall sind Stufen. Mit einem Rollstuhl unerreichbar.
Auch die Post wurde mehrfach genannt. Hier wird sich ein Umzug gewünscht, den die Inhaber sich auch leisten können – also mit Unterstützung. Darf die Gemeinde da unterstützen?
Da kenn ich mich zu wenig aus. Natürlich kann der Postbetreiber zur Gemeinde gehen und fragen, ob die Gemeinde Räumlichkeiten hat, die funktionieren würde. Was wir brauchen in der Gemeinde ist ein Ansprechpartner für solche Sachen. Thema Fördermöglichkeiten und ähnliches, da sollte jemand kompetent Auskunft geben können. Falkensee, zum Beispiel, hat einen Behindertenbeirat ins Leben gerufen. Mit denen habe ich gesprochen. Das sei zwar Mühsam und man muss das aufbauen, aber Beiratsmitglieder sind regelmäßig in der Stadtverordnetenversammlung und so sind sie Ansprechpartner für die Gemeinde für genau solche Themen. Allein wenn man sagen könnte: da ist jemand, den könnt ihr fragen, das würde schon helfen.
„Zusammen mit dem Postbetreiber Alternativen suchen ohne ihn aus dem Ort zu scheuchen, weil er sich die Miete nicht leisten kann.“
Umfrage zur Barrierefreiheit
Durch die Umfrage ist mir erst aufgefallen, dass Dallgow gar keien öffentliche Toiletten hat.
Das ist mir auch erst durch die Umfrage aufgefallen. Das stimmt! Es gibt Erkrankungen, die ganz nötig und dringend eine Toilette brauchen. Die Idee, Toiletten aufzustellen oder Vereinbarungen mit den Restaurants zu treffen, die finde ich sehr gut. Irgendwas müssen wir da machen.
Was nehmen sie noch mit aus der Umfrage?
Es ist den meisten Dallgowern gar nicht bekannt, dass unsere Grundschule eine Schule mit Inklusion ist mit einem Schwerpunkt auf Lese/Rechtschreib- und Rechenschwäche. Diese Kinder haben ja auch ein Handicap. Diese Kinder können mit der richtigen Unterstützung genauso studieren wie Kinder ohne Handicap. Die Kita St.Martin ist auch eine Kita mit Inklusion. Die Kinder nehmen das dort als ganz normal wahr, der Umgang zwischen den Kindern ist toll.
„Eine öffentliche Wall Toilette am Bahnhof oder Selbstverpflichtung der dort ansässigen Restaurants und Läden mit Ausgleich durch die Gemeinde, Rollrampen, aktive Fördermittelberatung durch die Gemeinde zur Barrierefreiheit für Laden- und Restaurantbesitzer.“
Umfrage zur Barrierefreiheit
Hallo, ich möchte gerne zum Thema Barrierefreiheit einiges aus meiner Sicht beitragen.
Auch das Leben von Seniorinnen und Senioren wird durch Barrieren beeinträchtigt. Fehlende Mobilität verstärkt Einsamkeit.
Der Seniorenbeirat arbeitet mit dem ASB zusammen um Seniorinnen und Senioren bei der Nutzung von Smartphone und PC usw. zu unterstützen.
Aber Inklusion geht uns Alle an.
Bei so einem wichtiges Thema sollte von allen Entscheidungsträger, nach einem gemeinsamen Weg gesucht werden.
Dallgow-Döberitz zu einem Wohlfühlort für alle Menschen zu machen.
Was ist Barrierefreiheit und warum ist sie so wichtig.
Menschen sind nicht behindert, sie werden durch Barrieren behindert.
Barrierefreiheit ist ein sehr weit gefasster Begriff, und wohl auch nie abschließend zu erreichen.
Das Abbauen von Barrieren ist ein Prozess der jedem, überall und jederzeit als Aufgabe gegeben sein sollte.
Barrierefreiheit anzustreben ist die wesentliche Voraussetzung zur Inklusion.
Zitat „Aktion Mensch“:
Inklusion funktioniert nicht ohne Barrierefreiheit. Wo Orte, Räume oder Kommunikationsmittel nicht barrierefrei sind, bleibt Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben, an der Arbeitswelt und in der Freizeit verwehrt. Doch was bedeutet Barrierefreiheit eigentlich genau?
Die meisten Menschen verstehen unter Barrierefreiheit Rampen statt Treppen, breite Türen und absenkbare Einstiege bei Bussen. Doch bauliche Veränderungen und speziell ausgerüstete Fahrzeuge reichen nicht aus, um den Alltag barrierefrei zu gestalten. Barrierefreiheit heißt, dass Gebäude und öffentliche Plätze, Arbeitsstätten und Wohnungen, Verkehrsmittel und Gebrauchsgegenstände, Dienstleistungen und Freizeitangebote so gestaltet werden, dass sie für alle ohne fremde Hilfe zugänglich sind. Konkret bedeutet Barrierefreiheit also, dass nicht nur Stufen, sondern auch ein Aufzug oder eine Rampe ins Rathaus führen, dass Formulare nicht in komplizierter Amtssprache, sondern in verständlicher Sprache vorhanden sind, und dass auch gehörlose Menschen einen Vortrag verfolgen können – zum Beispiel mit Hilfe eines Gebärdensprachdolmetschers. Außerdem muss bei der Definition auch die digitale Barrierefreiheit mitgedacht werden. Das bedeutet, Internetseiten müssen so gestaltet sein, dass jeder sie nutzen kann. Dazu gehört zum Beispiel das Hinterlegen von Bildbeschreibungen für blinde Menschen und die Möglichkeit, Videos in barrierefreien Formaten abzuspielen.
Zitatende
Inklusion ist ein Menschenrecht.
Inklusion bedeutet, dass kein Mensch ausgeschlossen, ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt werden darf. Als Menschenrecht ist Inklusion unmittelbar verknüpft mit den Ansprüchen auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität.
Scheitert mein Vorhaben im täglichen Leben an Barrieren, wird mir natürlich schnell geholfen aber meine Würde bekommt einen Knick.
Ist sie doch eigentlich unantastbar (siehe Grundgesetz Artikel 1).
• Politische Teilhabe
• Berufliche Teilhabe
• Soziale Teilhabe
• Kulturelle Teilhabe
• Teilhabe und Mobilität im Alter
Wolfgang Biernath
Mitglied im Seniorenbeirat Dallgow-Döberitz