Dallgow ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Tatsächlich hält Dallgow mit seinem Wachstum einige Rekorde. So ist die Dallgower Grundschule die größte Grundschule in ganz Brandenburg. Das kommende Schuljahr beginnt für die Erstklässler 6-zügig. Dallgow hat den einzigen Gymnasiumsneubau Brandenburgs seit der Wende.
Dallgow ist auch die am schnellsten wachsende Gemeinde in Brandenburg. So hat sich die Einwohnerzahl Dallgows seit 1990 vervierfacht. Nach dem zweiten Weltkrieg befand sich die Gemeinde in einem Dornröschenschlaf: die Lage westlich des eingemauerten West-Berlins schwer zu erreichen, mit einer großen Anzahl Soldaten der roten Armee in der Fläche eingeschränkt war es für Berliner nicht attraktiv, nach Dallgow zu ziehen – eher zog man von Dallgow fort. So sank die Bevölkerung von 4411 Einwohnern im Jahr 1950 auf 2992 im Jahr 1993. Dann wurde Dallgow wiederentdeckt und die Einwohnerzahl stieg. Die gute Verkehrsanbindung, das Neubaugebiet Neu-Döberitz und die Aussicht auf ein baldiges Ende des Flugverkehrs nach Tegel zog viele Menschen nach Dallgow. So hat sich die Bevölkerung innerhalb von 10 Jahren von 2992 auf 7094 im Jahr 2003 mehr als verdoppelt. Inzwischen wohnen in Dallgow 10.298 Menschen, das ist mehr als verdreifacht seit 1993.
Wie finden die Dallgower dieses Wachstum?
Dallgow soll nicht weiter wachsen. Die Infrastruktur gibt das nicht her! Der Ort und die Landschaft (Natur) leidet darunter.
Ich wohne seid 22 Jahren in Dallgow. Damals gab es eine zweizügige Grundschule, der Bahnhof war in einem guten Zustand, der Verkehr völlig entspannt.
In persönlichen Gesprächen oder auch in den sozialen Medien zeigt sich ein gemischtes Stimmungsbild. So gibt es unter den alt eingesessenen Dallgowern den Begriff der "Zugezogenen". Aber auch diese "Zugezogenen" klagen über das steigende Verkehrsaufkommen, das Schwinden von freien Grünflächen und die zunehmende Verdichtung der Gemeinde.
Ich halte die Abschottung der Gemeinde, insbesondere auch des Ortsteils Seeburg, nicht mehr für zeitgemäß. Das Altern der Bevölkerung ist nicht aufzuhalten und wenn die Kitas und Schulen in einigen Jahren nicht leerstehen sollen, muss jetzt Baugebiet ausgewiesen werden, auch wenn es vielen Alteingesessenen nicht passt.Ich denke, hier wird oft zu kurz gedacht. Ich wohne seit 26 Jahren in Dallgow.
Andererseits gönnen die Dallgower den neuen Bewohnern ihr Glück im Grünen, so wie sie es selbst hier gefunden haben. Viele kennen Stadtbewohner, die auch von ihrem Eigenheim träumen. Die meisten kennen auch Freunde, die aktiv nach Grundstücken suchen und sie auch in Dallgow nicht finden.
Auch unter den Gemeindevertretern gibt es diese Zweiteilung. Gerade erst hat sich eine Mehrheit gefunden, weiteres Bauland vorerst nicht mehr auszuweisen. Argumentiert wird hier mit der Überlastund der Gemeindeinfrastruktur. Man hört aber auch Stimmen, die generell sagen, es reicht mit dem Wachstum. Die im Moment unterlegene Gruppe des weiteren Wachstums wird sicher wieder Aufwind bekommen, wenn die Gemeindegelder schwinden und neue Quellen für die Gemeindefinanzen gesucht werden. Schliesslich sind Grunderwerbsteuer und Grundsteuer attraktive Quellen der Gemeindefinanzierung.
Hallo, ich finde es reicht langsam. Ansonsten geht es irgendwann nahtlos in Berlin über. Und Großstadtfeeling möchte ich hier nicht. Sonst würde ich in Berlin wohnen. Ich wohne seit 16 Jahren in Dallgow
Ist Wachstum gut für Gemeinden?
In gewissem Sinn ist Dallgow in einer Art Wachstumsfalle. Die beiden großen Grundschulstandorte, die vielen Kitas: diese Infrastruktur kostet Geld und funktioniert nur, solange sie auch genutzt wird. Stagniert der Zuzug, kommen weniger Kinder nach und die Einrichtungen werden zunehmend leerer. Trotzdem werden die Gebäude älter und brauchen mit den Jahren mehr Instandhaltung. Ein Teufelskreis aus sinkenden Einnahmen bei gleichen oder steigenden Kosten beginnt.
Als Neu-Dallgower (seit 2021) in einem jetzt 100 Jahre alten Haus habe ich auch eine Meinung dazu. Letztes bzw. vorletztes Jahr hätte ich mich sehr gefreut eine Fläche zu bekommen. Jetzt haben wir was schönes gefunden und fühlen uns sehr wohl. Durch zahlreiche Spaziergänge auch in den Neubaugebieten und den Informationen via Facebook komme ich zu folgendem Entschluss: Ja zu neuen Bauflächen, aber:
- Bessere verkehrstechnische Anbindung nach Berlin bzw. Falkensee
- mehr Schulen sowie Oberschulen nicht nur Gym und mehr Kitas
- größere Grundstücke ( mind 800qm) und Zwang der unterschiedlichen Bauweise. Es sieht furchtbar aus, wenn jedes Haus dem anderen gleicht.
- Keine verseuchten Gebiete (Grundwasserproblematik)
Durch das starke Wachstum in den letzten 20 Jahren ist die Alterstruktur der neuen Einwohner recht homogen: meist sind es Familien in ihren 30er oder 40er Jahren, meist haben sie 2-3 Kinder. Im Moment ist das ein Segen für die Gemeindefinanzen: über den Anteil der Lohnsteuer und dem überdurchschnittlichen Einkommen der Neu-Dallgower sprudeln die Einnahmen. In 20 Jahren könnte das ganz anders aussehen. Dann ziehen die Kinder weg, die Eltern gehen in Rente oder Pension und bewohnen dann ihre großen Häuser allein während Kitas und Schulen immer leerer werden.
Es ist wunderbar, das Dallgow so eine schöne Gemeinde geworden ist. Ich bin hier aufgewachsen und habe bis zum heutigen Tag Dallgow live erlebt. Die Entstehung der neuen Wohngebiete war eine gute Entscheidung. ABER, es darf auf keinen Fall mehr werden. Dallgow platzt sonst aus allen Nähten und die Schönheit von Dallgow wäre dahin. Lassen wir es so wie es jetzt ist. Es gibt noch genug Möglichkeiten für junge Familien, woanders auszuweichen.
Was sagt die Wissenschaft?
Dieser Effekt ist wissenschaftlich untersucht. Dort gilt die Infrastruktur für Kinder eher als Kostentreiber. Die Ausweisung neuer Flächen wird zwiespältig gesehen: zwar bringt die Grunderwerbsteuer viele Einnahmen. Diese sind jedoch einmalig und werden oft durch Strassenneubau aufgezehrt.
Als besonders problematisch gelten Gemeinden mit sinkender Einwohnerzahl. Praktisch nie schaffen es hier die Gemeinden, das absehbare Sinken der Einnahmen durch geziehlte Sparmaßnahmen auszugleichen. Hohe Verschuldung und harte Sparmaßnahmen machen dann die Gemeinden noch unattraktiver.
Als goldener Weg gilt hier eine umsichtige Gemeindeentwicklung. Möglichst wenig Flächenwachstum, Nachverdichtung um bestehende Strasseninfrastruktur zu nutzen und den Zuzug so zu steuern, dass die bestehnde Infrakstruktur immer ausreichend ausgelastet ist und die Altersstruktur der Gemeinde möglichst gleich bleibt.
In der aktuellen Situation dürfte das für Dallgow gut machbar sein. Die Nachfrage nach Zuzug ist ungebrochen und die Gemeinde könnte damit gut planen und die Auslastung der Infrastruktur steuern. Gerade der Bedarf an Kita- und Schulplätzen ist gut planbar und langfristig vorhersehbar, wachsen doch alle Kinder gleich schnell auf.
Interessenausgleich
Ich denke, dass die legitimen Interessen der Dallgower gut vereinbar sind. Eine auch in Zukunft attraktive, lebendige Gemeinde, die nicht ihre letzten Flächen konsumiert, scheint im Sinne aller zu sein. Ein größeres Problem könnte in 10 bis 20 Jahren werden, dass in vielen Häuser für die Wohnfläche zu wenig Personen leben, weil ihre Kinder ausgezogen sind. Hier könnte die Gemeinde aktiv und mit Programmen unterstützen, um jungen Familien die Flächen zur Verfügung zu stellen und den dann älteren Dallgowern altersgerechten, attraktiven Wohnraum zu geben.
Vielleicht gelingt es uns auch noch, nicht mehr von Alt-Eingesessenen und Zugezogenen zu reden, sondern nur noch von uns Dallgowern und unseren gemeinsamen Interessen.
Zu dem Absatz mit der Überschrift Interessenausgleich
Leider ist die dort für in 10 bis 20 Jahren befürchtete Situation, bereits eingetreten. Nach neuesten Umfragen leben mehr als ein drittel der Seniorinnen und Senioren allein. Der Anteil der Seniorinnen und Senioren hat sich in den letzten 10 Jahren auch hier in der Gemeinde fast verdoppelt. Die meisten älteren Menschen wollen so lange wie es möglich ist, in Ihrem gewohnten Wohnumfeld bleiben. Sollte sich ein älterer Mensch aber entschließen in eine altersgerechte Wohnung, vielleicht mit einem bedarfsorientierten Pflegeangebot zuziehen, gibt fast keine Angebote in Dallgow-Döberitz. Bemühungen den entsprechenden Wohnungsbau in unsere Gemeinde zu bekommen, reichen offensichtlich nicht aus. Scheiterte zum Beispiel an der geplanten Gebäudehöhe.
Da vor einigen Jahren die Zuständigkeit für Soziale Projekte von den Gemeinden weg auf die Kreise verlegt wurden. Gibt es vor Ort, dort wo die Probleme sind, keine Ansprechpartner.
Wolfgang Biernath